Ausgabe Mai 2001

Innenansichten eines ehrgeizigen Projekts

Die Berliner Republik läßt bauen

Anfangs ist vom Bauen noch gar nicht die Rede, sondern - sehr diskret - von unversehens weit geöffneten Perspektiven: Kaum, dass der formell noch bestehenden DDR mit der Währungs-Union ökonomisch endgültig der Boden unter den Füßen fortgezogen wird, veranlassen Ältestenrat und Haushalts-Ausschuss des westdeutschen Bundestages die Regierung im September 1990, alle für einen Regierungsumzug von Bonn nach Berlin brauchbaren innerstädtischen Liegenschaften aus der nun verfügbaren Erbmasse der DDR quantitativ zu erfassen. Schon vier Monate später, im Februar 1991, legt die Bundes-Bauverwaltung ein Konvolut von 73 Seiten vor, das mit 41 Positionen ein Potential von insgesamt fast einer halben Million Quadratmetern Nutzfläche auflistet. Wahrscheinlich soll die überraschende Eilfertigkeit von vornherein nur dazu dienen, dem Staat angesichts der losbrechenden "reconquista" privater Investoren im "Beitrittsgebiet" einen kleinen Vorsprung zu verschaffen, zumindest in der potentiellen Hauptstadt. Als der Bedarfsfall endlich rechtskräftig wird, denkt gewiss niemand im Ernst mehr daran, den Raumbedarf einer an die Spree wechselnden Bundesregierung auf derart sparsame, vor allem aber wenig repräsentable Weise befriedigen zu wollen.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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