Ausgabe August 2001

Von Nürnberg nach Den Haag

Das Thema "Internationale Strafjustiz" hält augenblicklich den modernen Medienkonsumenten in Atem. Erfährt er heute, daß "Milosevic vor die Schranken der internationalen Gerechtigkeit" geführt wurde, so morgen, daß Pinochet zwar nicht wegen "Verrücktheit", so doch wegen "leichter Demenz" verhandlungsunfähig sei. Im Wechselbad der Gefühle soll ihn dann die fernöstliche Nachricht trösten, das Rote-Khmer-Tribunal in Kambodscha rücke näher. Der Bürger des deutschen Rechtsstaats allerdings wähnt sich angesichts der "Mauerschützenurteile" gegen Krenz und andere - sogar international abgesegnet durch den Straßburger Gerichtshof - auf soliderem Boden. So unterschiedlich die erwähnten Fallkonstellationen auf den ersten Blick sein mögen, sie haben eines gemeinsam. Individuen handelten hier in amtlicher Eigenschaft, nämlich als Staatsorgane mit politischer Zielsetzung, und sollen hierfür individuell zur Verantwortung gezogen werden.

Das politische Element kennzeichnet ihre Handlungen: Erhaltung Serbiens (Milosevic), Abwehr kommunistischer Subversion (Pinochet), der neue sozialistische Mensch (Pol Pot), ökonomisches Überleben der DDR (Mauerschützen) und so weiter.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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von Cinzia Sciuto

Am Anfang stand der 11. September 2001. Danach wurde die Lawine losgetreten: Ein langsamer, aber unaufhaltsamer Erdrutsch erfasste die internationale rechtliche und politische Ordnung. Ein Erdrutsch, der nach und nach die supranationalen Institutionen und die stets fragile, aber nie völlig illusorische Utopie einer friedlichen und auf dem Recht basierenden Weltordnung tief erschüttert hat