Roland Kochs Rezepte aus Wisconsin
I. Sommerloch und Reiselust
Die Politik im Medienzeitalter folgt merkwürdigen Gesetzen. Da füllt ein deutscher Landesfürst das Sommerloch mit einem Besuch im US-amerikanischen Partner-Gliedstaat, verarbeitet seine Reiseimpressionen sodann in mehreren öffentlichen Stellungnahmen 1), und keine zwei Wochen später debattiert bei uns alle Welt über das Sozialhilfe-Modell Wisconsins. Gewiß, auch schon früher wurde hierzulande immer wieder einmal bemerkt, daß es selbst in den USA Sozialpolitik gibt. Allerdings interessierten sich vorwiegend die esoterischen Zirkel vergleichender Politik- oder Rechtswissenschaftler, nur selten reichte es für eine Meldung oder gar einen Kurzkommentar in der Tagespresse. Das ist nun - Koch sei Dank - ganz anders. Seitenlange Berichte in den großen deutschen Zeitungen 2) zeugen davon, daß eine Heerschar deutscher Journalisten über das ansonsten eher dünn bevölkerte Wisconsin hereingebrochen sein muß.
Aber nicht nur das Interesse, auch der Blickwinkel ist neu. Denn bisher bewegten sich hiesige Betrachtungen der amerikanischen Sozialpolitik irgendwo zwischen Voyeurismus und Selbstbestätigung. Mögen die Amerikaner uns ökonomisch auch vieles voraus haben, im Sozialen zahlen sie dafür - mit Ghettos, Kriminalität, sozialer Kälte.