Der Geisterfahrer auf der Autobahn, der nicht begreift, dass er ein Geisterfahrer ist, denkt: Alle anderen sind in die falsche Richtung unterwegs. Eine objektive Tatsache ist also immer abhängig von der Position des Betrachters. Wenige Wochen vor dem SPD-Parteitag, auf dem man nach acht Jahren Debatte ein neues Grundsatzprogramm („Hamburger Programm“) verabschieden will, haben sich noch einmal die Vorreiter des Netzwerker-Flügels programmatisch geäußert. Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Finanzminister Peer Steinbrück und der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck haben sich in einem Essay Gedanken über die soziale Demokratie im 21. Jahrhundert gemacht. Darin sorgen sie sich, dass die SPD „nicht allein als Partei der sozialen Gerechtigkeit“ wahrgenommen werden soll, sondern auch als Partei der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.1 Diese Sorge ist völlig unbegründet – und kündet vom mangelnden Realitätssinn der Netzwerker- Matadore. Denn die SPD ist schon längst nicht mehr die Partei der Gerechtigkeit, meinen zumindest die Bundesbürger.
Der alte Seismograph gesellschaftlicher Befindlichkeit, das Allensbach- Institut, hat jüngst nach der Wahrnehmung der Gerechtigkeit gefragt.2 Das Ergebnis ist eindeutig – und es ist dramatisch. Nur eine knappe Mehrheit sieht „Die Linke“ (26 Prozent) vor der SPD (25 Prozent), wenn es darum geht, den Sozialstaat zu verteidigen.