Ausgabe November 1990

Machtwechsel als kategorischer Imperativ

Ein Gespräch mit Antje Vollmer

Hätten sich die Trends der Wahlergebnisse (und der Entwicklung des öffentlichen Bewußtseins) in der Bundesrepublik zwischen 1987 und 1989 auch 1990 fortgesetzt, wäre der Verlust der Mehrheit für die Regierung Kohl/Genscher das wahrscheinlichste Ergebnis der Bundestagswahl 1990. Eine neue Mehrheit für eine neue Politik 1987 verfehlt - wäre zumindest rechnerisch in greifbarer Nähe. Heute, wenige Wochen vor der Bundestagswahl, glaubt kaum noch jemand an die Möglichkeit eines Machtwechsels einer rot-grünen Koalition. Der Zusammenbruch der DDR - und mit ihr der Einbruch politischer Problemlagen und Mentalitäten aus einer anderen Welt und einer anderen Zeit - wurde zur Stunde der Exekutive. Die Skrupellosigkeit, mit der Kanzler Kohl seine Chance ergriff, läßt ihn heute als eine Art Bismarck II erscheinen. Wie der "eiserne Kanzler" hat er, indem er sich der "deutschen Frage" auf seine Art bemächtigte, die Revolution "lieber selbstgemacht". Ergebnis der Usurpation ist wiederum eine Vereinigung von oben, seelenlos exekutiert von der Kohlschen Ministerialbürokratie.

November 1990

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