Monumentalität im Fernsehen ist eine der Zeit. Wo im Kino durch Breitwand und Mehrkanalton ein Überschreiten der Grenze des Apparatezwangs versucht wird, sprengen Serien und Vielteiler im Fernsehen das Arrangement der "Vorstellung", jener auf der Identität eines abgeschlossenen Kunstwerks beruhenden theatralischen Performance-Konvention, der sich das neue Medium zunächst in abgeleiteten Angeboten wie "Fernsehspiel" und "Abendprogramm" angepaßt hat. Beziehen sich Hitlisten der "größten Filme aller Zeiten" auf die aufgewendeten (oder eingespielten) Dollarmillionen oder die Zahl der gewonnenen "Oscars", so scheinen im Fernsehen die Stunden zu zählen. Danach hat Edgar Reitz seinen eigenen Weltrekord (Heimat, 15 Stunden 40 Minuten) mit der Zweiten Heimat um fast zehn Stunden überboten - knapp gefolgt von Berlin Alexanderplatz (Fassbinder, 15 Std. 21 ) und Shoah (Lanzmann, 9 Std. 21). Interessant ist, daß die dem "Stern" entnommene Liste keine Fernsehserien enthält.
Denn von Unsere Nachbarn heute abend über Derrick, Bonanza und Dallas bis zur Lindenstraße würden vermutlich mehrere Dutzend Serien vor Reitz die ersten Plätze belegen.
Aber die Unterscheidung leuchtet ein: Das Monumentale eines Reitz-Projekts hat nichts zu tun mit dem Parallel-Alltag der Familien Schölermann oder Beimer.