Ausgabe Juli 1995

Von der Unfaßbarkeit des Sieges

Komplikationen im Prozeß der deutschen Einheit

Der deutschen Westrepublik war die Wiederherstellung der deutschen Staatseinheit, außer einer Herzensfreude, eine furchtbare Störung auf den gewohnten, durch die Induktions-Existenz der DDR seit 1949 sichergestellten Wegen. Sie hat ihr zu einem erheblichen Teil nur dadurch begegnen können, daß sie sich auf das politisch-rhetorische Niveau der 50er Jahre zurückschraubte, nach der Parole: Adenauer hatte doch recht. Das war, versteht sich, ein Akt der Regression.

Nachdem man sich mit der DDR vereinigt hatte, bekam man es mit der Angst zu tun; man glaubte, die Anerkennung dieses Landes zurücknehmen zu können, ja zurücknehmen zu müssen, und glaubte es um so mehr, als man mit dem Spielmaterial des fremden Landes alte Rechnungen im eigenen Feld begleichen zu können hoffte, mit Kräften, die einem lange genug auf die Nerven gegangen waren.

Bewußtseinsfallen

Das war ein Trugschluß, es war Wirklichkeitsflucht. Sie hatte mit Angst zu tun, aber das war nicht ihre einzige Dimension. Christel Zahlmann, die Kennerin des Westens, hat mir die Sache vor drei Jahren einmal sozialpsychologisch erklärt.

Juli 1995

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Frieden durch Recht

von Cinzia Sciuto

Am Anfang stand der 11. September 2001. Danach wurde die Lawine losgetreten: Ein langsamer, aber unaufhaltsamer Erdrutsch erfasste die internationale rechtliche und politische Ordnung. Ein Erdrutsch, der nach und nach die supranationalen Institutionen und die stets fragile, aber nie völlig illusorische Utopie einer friedlichen und auf dem Recht basierenden Weltordnung tief erschüttert hat