Ausgabe November 1996

Wer regiert Rußland?

Eine Herzoperation scheint das wichtigste Ereignis der russischen Politik in der zweiten Hälfte dieses Jahres zu werden. Am 3. Juli 1996 haben die Wähler in Rußland mit Bons Jelzin einen Mann zum Präsidenten gewählt, der nicht handlungsfähig ist, da er kurz vor dem Wahltermin einen schweren Infarkt erlitten hat. Statt wenigstens einige der drückenden Probleme anzugehen - die schwere Wirtschaftskrise, den Zerfall der sozialen Sicherungen und des Gesundheitssystems, die Staatskorruption, die bewaffneten Konflikte im Kaukasus und in Zentralasien -, beschäftigt sich das politische Moskau vordringlich mit der Frage der Nachfolge des Präsidenten. Die Mächtigen konsolidieren ihre Position, suchen nach Bündnispartnern für die kommenden Diadochenkämpfe und beobachten die Aktionen potentieller Konkurrenten voller Argwohn. Die schwere Erkrankung des Präsidenten beleuchtet schlaglichtartig das Durcheinander in der Moskauer Führungsspitze. Gegensätze zwischen den Einflußgruppen treten hervor. Die Entscheidungsschwäche im Machtzentrum macht sich bemerkbar. Eine klare politische Strategie ist nicht zu erkennen. Diese Phänomene sind nicht neu seit mehr als zwei Jahren ist der Kurs der Jelzin-Administration voller Widersprüche -, aber sie werden nun unübersehbar.

November 1996

Sie haben etwa 5% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 95% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema