Ausgabe Dezember 1997

Washington und die Schurkenstaaten brauchen einander

Saddam Husseins jüngste Provokationsübung bringt wieder einmal das Problem der Washingtoner Obsession mit den "Schurkenstaaten" auf - und die ist in der Tat ein Problem. Das Auftrumpfen gegen leicht zu verurteilende Feinde mag befriedigen, aber bringt nicht viel. Saddam hat George Bush überdauert und wird wahrscheinlich auch Bill Clinton überdauern. Bei seiner vorigen Trotzhandlung drangen 1996 Husseins Truppen in das irakische Kurdistan ein und vereitelten eine teure CIA-Operation. Die Vereinigten Staaten schossen als Vergeltung einige Raketen ab, allerdings ohne etwas damit zu bewirken. Das Moralisieren in der Politik hat in Amerika Tradition.

So war vor hundert Jahren das papistisch-imperiale Spanien der Feind. Die aufgeklärten Vereinigten Staaten marschierten, im Vollgefühl ihrer Fortschrittlichkeit, in Kuba ein und griffen nach den Philippinen, um sie vor der spanischen Unterdrückung zu retten. Dort überwältigten sie die von der einheimischen Freiheitsbewegung begründete unabhängige Republik (mit der ersten liberalen Verfassung Asiens) und investierten, um die philippinische Rebellion gegen den amerikanischen Kolonialismus niederzuschlagen, in den darauffolgenden zwei Jahren mehr Geld und Menschenleben als selbst im spanisch-amerikanischen Krieg.

Dezember 1997

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