Ausgabe Mai 2000

Die Anständigen sind die Unanständigen

Fast eine halbe Minute lang muß der Mafiaboß den Hals des Verräters mit einem Draht strangulieren, bis der aufhört, zu atmen. Tony Soprano, der mit dieser Tat seiner eigenen Ermordung zuvorgekommen ist, legt den Finger an die Halsschlagader, ob noch ein Puls zu spüren ist. Dann fährt er weg, seine Tochter abholen. Beide sind unterwegs, um für das Mädchen ein geeignetes College auszusuchen. Die Szene stammt aus der neuen amerikanischen Mafia-Serie Die Sopranos (jetzt sonmtags 22.30 Uhr im ZDF). Kurz zuvor hatte Tony seiner Tochter eingestanden, daß er für die Mafia arbeitet, umd diese wußte den Vertrauensbeweis zu würdigen, aber die drastischen Detalls will er ihr nicht zumuten. Sie wirken im Film seltsam unspektakulär, und plausibel sind die Gründe, die der Vater für seine illegale Tätigkeit aufzählt: "Es gab mal eine Zeit, da hatten die Italiener nicht viele Möglichkeiten." Schließlich müsse er eine Familie ernähren, und schon sein Vater habe "dringesteckt".

So ist die Mafia für ihn die einzige Möglichkeit, den Generationenvertrag zu erfüllen: Mord und Erpressung als alltägliche Überlebensstrategien. "Vielleicht war ich auch zu faul, um allein zu denken, geschweige denn, ein Rebell zu werden.

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In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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