Ausgabe Mai 2002

Starker Pessimismus

Vom Zustand der Bundesrepublik Deutschland

Bei der Abstimmung zum Zuwanderungsgesetz im Bundesrat am 22. März wertete Ratspräsident Klaus Wowereit (SPD) ein gesplittetes Votum des Landes Brandenburg als "Ja", was die erforderliche Zustimmungsmehrheit erbrachte. Die juristisch umstrittene Entscheidung zieht politische Kreise und wirft, über die Aufgeregtheit eines Bundestagswahl-Jahres hinaus, grundsätzlichere Fragen nach dem "geistig-moralischen" Zustand (Helmut Kohl) dieser Republik auf. Wilhelm Hennis erklärt im Gespräch mit der "Blätter"-Redaktion, warum es sich bei dem Streit über das Abstimmungsverhalten im Bundesrat um mehr als eine "Formalie" handelt. Der prominente Jurist und Politikwissenschaftler betätigt sich seit über einem halben Jahrhundert als kritischer Begleiter der bundesrepublikanischen Politik, ohne das Etikett des Querdenkers zu fürchten. Mit großer Entschiedenheit engagierte Hennis sich zuletzt gegen alle Versuche, die Kohl- alias CDU-Parteispendenaffäre politisch und juristisch im Sande verlaufen zu lassen. - D. Red.

"Blätter": Starke Worte kursieren: Verfassungsbruch, Verfassungskrise, Verfassungskonflikt. Bald wird von einer Krise der Demokratie die Rede sein. Was steckt dahinter?

Hennis: Einen Verfall der demokratischen Regeln und Formen, wie sie das Grundgesetz vorgibt, beobachten wir seit langem.

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Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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