Ausgabe Februar 2005

Bolkesteins Hammer

Als "visionären" Vorschlag bezeichnet der just ins Amt eingeführte irische EU-Kommissar Charlie McCreevy den im vergangenen Jahr von seinem Vorgänger Frits Bolkestein vorgelegten Entwurf einer neuen EU-Dienstleistungsrichtlinie. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement sieht gar eine "Kulturrevolution" im Anmarsch, den "größten Integrationsschub nach dem Binnenmarkt und der Währungsunion". Auch Gerhard Schröder ist höchst zufrieden: Allein in Deutschland würden "Millionen Unternehmen profitieren", so der Unternehmer-Kanzler. In den Chor der Liberalisierer mischen sich allerdings immer mehr kritische Stimmen, die auf die weitreichenden Konsequenzen des spröden Vertragswerkes hinweisen. Warum also handelt es sich bei der ominösen Richtlinie, die in globalisierungskritischen Kreisen nur unter dem Namen "Bolkestein-Hammer" firmiert?

Der Kommissionsvorschlag ist ein zentraler Baustein der im Jahr 2000 verabschiedeten "Lissabon-Strategie". Bis zum Jahr 2010 muss die Europäische Union "der wettbewerbsfähigste und dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt" werden. So zumindest will es der Beschluss des Europäischen Rates.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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Am Anfang stand der 11. September 2001. Danach wurde die Lawine losgetreten: Ein langsamer, aber unaufhaltsamer Erdrutsch erfasste die internationale rechtliche und politische Ordnung. Ein Erdrutsch, der nach und nach die supranationalen Institutionen und die stets fragile, aber nie völlig illusorische Utopie einer friedlichen und auf dem Recht basierenden Weltordnung tief erschüttert hat