Als "visionären" Vorschlag bezeichnet der just ins Amt eingeführte irische EU-Kommissar Charlie McCreevy den im vergangenen Jahr von seinem Vorgänger Frits Bolkestein vorgelegten Entwurf einer neuen EU-Dienstleistungsrichtlinie. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement sieht gar eine "Kulturrevolution" im Anmarsch, den "größten Integrationsschub nach dem Binnenmarkt und der Währungsunion". Auch Gerhard Schröder ist höchst zufrieden: Allein in Deutschland würden "Millionen Unternehmen profitieren", so der Unternehmer-Kanzler. In den Chor der Liberalisierer mischen sich allerdings immer mehr kritische Stimmen, die auf die weitreichenden Konsequenzen des spröden Vertragswerkes hinweisen. Warum also handelt es sich bei der ominösen Richtlinie, die in globalisierungskritischen Kreisen nur unter dem Namen "Bolkestein-Hammer" firmiert?
Der Kommissionsvorschlag ist ein zentraler Baustein der im Jahr 2000 verabschiedeten "Lissabon-Strategie". Bis zum Jahr 2010 muss die Europäische Union "der wettbewerbsfähigste und dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt" werden. So zumindest will es der Beschluss des Europäischen Rates.