Ausgabe Januar 2009

Karsai und seine teuren Brüder

In den vergangenen Monaten hat es verschiedene Versuche der afghanischen Regierung und ihrer NATOAlliierten gegeben, auf die Taliban zuzugehen, um Friedensverhandlungen aufzunehmen. So appellierte der afghanische Präsident, Hamid Karsai, Anfang Oktober öffentlich an den Talibanführer Mullah Omar: „Teurer Bruder, komme zurück in Deine Heimat, arbeite für den Frieden und höre auf, Deine Brüder zu töten.“ Er versprach Omar freies Geleit und Schutz, worauf dieser ihm gelassen entgegnete: „Teurer Bruder, die Taliban fühlen sich in Afghanistan sicher. Wenn Du kannst, kümmere Dich um Deine eigene Sicherheit.“

Bereits dieser Austausch offenbart das ganze Dilemma der gegenwärtigen Friedensverhandlungen. Offenbar scheint es kaum einen Boden für Gemeinsamkeiten zwischen der Regierung und den aufständischen Taliban zu geben. Auch das jüngste Angebot vom November 2008, die Taliban offiziell an der Regierung zu beteiligen, reicht hierfür nicht aus – allzu offensichtlich will Karsai die Taliban lediglich deshalb in seine Regierung einbinden, um seine erodierende Machtbasis mit Blick auf die im Oktober 2009 anstehenden Wahlen zu konsolidieren. Und die Taliban, die derzeit aus einer Position der Stärke heraus operieren, sehen ihrerseits keine Veranlassung, für ein paar Posten in der Regierung auf ihre islamistischfundamentalistischen Ansprüche zur Gestaltung des Landes zu verzichten.

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