Ausgabe April 2009

Verdrängte Kriege

Die Bundeswehr zwischen Nichtbeachtung und Überforderung

Neuer Anschlag auf Bundeswehr“, „Tote an deutsch-afghanischem Kontrollpunkt“, „Angriffe auf die Bundeswehr in Afghanistan“ 1 – für deutsche Medien sind das Nachrichten. Getötete oder verletzte Soldaten tauchen auf den Titelseiten der Zeitungen und in der Tagesschau auf. Schusswechsel mit deutscher Beteiligung und Anschläge auf Bundeswehrsoldaten lassen politische Akteure in Berlin tief betroffen vor Kameras, Mikrofone und Notizblöcke treten. Auch die kleinste Lokalzeitung sieht sich zu einem Kommentar genötigt. Würden Medien und Parlamentarier in den Vereinigten Staaten oder Großbritannien ähnlich auf solche Ereignisse reagieren, hätten sie kaum noch Platz für andere Meldungen.

Doch für die deutsche Öffentlichkeit sind Schießen und Sterben noch nicht Routine. Als Krieger fühlt man sich nach wie vor unwohl. Die Erfahrung der Belgier, Briten, Franzosen und Niederländer, die in den Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs den Verlust ihrer Kolonialreiche militärisch hinauszuzögern versuchten, blieb Deutschland aufgrund des Verlusts der Kolonien bereits nach dem Ersten Weltkrieg erspart. Die Mehrheit der Bundesbürger ist groß geworden ohne deutsche Soldaten im Krieg. Und für diejenigen, die den Zweiten Weltkrieg noch erlebt haben, ist der Einsatz von Militär vor allem als Weg in eine selbst verschuldete Katastrophe in Erinnerung geblieben. Krieg ist für sie eine existenzielle Bedrohung, der Krieg fand zu Hause statt.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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