Ausgabe November 2010

Im Schatten der Souveränität

Bundesdeutsche Außenpolitik gegenüber den Militärdiktaturen in Chile und Argentinien

Außenpolitik ist unter den Staatsangelegenheiten ein Politikbereich mit Sonderstatus. Der Staat ist Ausdruck divergenter Interessen und Problemlagen einer Gesellschaft. Er soll Ausgleich schaffen, damit die Gesellschaft sich nicht an unversöhnlichen Widersprüchen aufreibt. Jeder der staatlichen Akteure in diesem Überbau hat ein Pendant in der realen Gesellschaft: Das Wirtschaftsministerium die Wirtschaft mit ihren Lobbys, das Innenministerium die Sicherheitsproblematik mit ihrem Hauptakteur Polizei usw. Nur Außenministerien haben kein solches Pendant, keine Lobby und auch keine organisierten Kritiker. Auch deshalb war der Außenminister (bis zu Guido Westerwelle) unabhängig von der Person der beliebteste Minister.

Außenministerien gibt es, um zwischenstaatliche Konflikte mit Hilfe der Diplomatie einzuhegen. Sie stehen wegen dieser Außenbeziehung gleichsam außerhalb des nationalen gesellschaftlichen Überbaus. Es heißt daher eigentlich auch nicht Ministerium, sondern Amt. Dieser Sonderstatus[1] könnte erklären, warum der bundesdeutsche Außenminister als einziger Minister offenbar nur eine einzige Qualifikation für sein Amt braucht, nämlich Chef der kleineren Koalitionspartei zu sein. Professionalität liefert der Apparat, und der käme ohne Minister genauso gut zurecht.

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Die neue Merz-Doktrin?

von Jürgen Trittin

Jahrzehntelang durfte in keiner Grundsatzrede eines deutschen Politikers in Regierungsverantwortung der Satz fehlen: „Wir setzen auf die Stärke des Rechts statt auf das Recht des Stärkeren.“ Doch das war einmal. Bundeskanzler Merz‘ lautstarkes Räsonieren über den Krieg Israels gegen den Iran markiert den Bruch mit dieser Tradition.

Eigennutz statt Solidarität

von Klaus Seitz

Etwa eine Milliarde Euro weniger als im vergangenen Jahr steht dem Bundesentwicklungsministerium 2025 zur Verfügung. Doch nicht nur der Spardruck macht der Entwicklungszusammenarbeit zu schaffen, auch die strategische Neuausrichtung gefährdet ihre Zukunftsfähigkeit.

Besser als ihr Ruf: Die europäische Afrikapolitik

von Roger Peltzer

Schon unter Angela Merkel hat der afrikanische Kontinent in der deutschen Bundesregierung große politische Aufmerksamkeit erfahren. Die Ampelregierung setzt diesen Kurs fort: Seit seinem Amtsantritt reiste Bundeskanzler Olaf Scholz jedes Jahr nach Afrika.