Ausgabe August 2022

Die große China-Illusion

Warum wir einen anderen Blick auf die Volksrepublik brauchen

Der chinesische Präsident Xi Jinping bei Feierlichkeiten anlässlich der Rückgabe Hongkongs vor 25 Jahren, 1.7.2022 (IMAGO / ZUMA Wire)

Bild: Der chinesische Präsident Xi Jinping bei Feierlichkeiten anlässlich der Rückgabe Hongkongs vor 25 Jahren, 1.7.2022 (IMAGO / ZUMA Wire)

Am 4. Februar 2022, knapp drei Wochen vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, verkündeten Wladimir Putin und Xi Jinping eine „grenzenlose“ strategische Partnerschaft. In ihrer gemeinsamen Erklärung wurden die Autokratien Russland und China zu eigenständigen „Demokratien“ umgedeutet, die Nato-Erweiterung in Europa gebrandmarkt sowie die Indo-Pazifik-Strategie der USA und der Sicherheitspakt AUKUS kritisiert.[1] Die neuerdings zur Schau gestellte Interessenkonvergenz der beiden Autokratien hat in der öffentlichen und politischen Wahrnehmung im Westen bereits zu einer genaueren Betrachtung der ideologischen Positionierung Russlands geführt.[2] So berichtete „Die Zeit“, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz Anfang Januar von vier führenden Russland-Experten beraten ließ.[3] Im Zentrum standen dabei jedoch nicht die Truppenaufmärsche an der ukrainischen Grenze, sondern der russische Kolonialismus, Putins Geschichtsverständnis und der russische Faschismus. Das plötzliche Interesse an den Schattenseiten Russlands habe die Experten stark verwundert, hieß es: Hatten sie nicht jahrelang vor diesen Fehlentwicklungen gewarnt?

Diese offensichtlichen Lerndefizite im politischen Berlin wecken Zweifel, ob die Bundesregierung in Zukunft rechtzeitig die notwendigen Erkenntnisprozesse vollzieht, um die Herausforderungen durch das Regime Xi Jinpings in China richtig einzuschätzen.

August 2022

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In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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