
Bild: Frauen auf einem Markt in Kabul, 22.11.2021 (IMAGO / Le Pictorium / Antonin Burat)
Am 1. Januar dieses Jahres wird die Frauenärztin Yacubi Feyra[1] aus einem eng belegten Behandlungssaal zur Tür gerufen. Vor ihr stehen Männer mit Bärten, weiten Hosen, Halstüchern, Patronengurten; ähnlich denjenigen, die seit anderthalb Jahren in Pickups und erbeuteten Polizeifahrzeugen durch die Straßen Afghanistans patrouillieren. Sie sprechen Paschtu, die Lingua Franca Süd- und Ostafghanistans, hier im tadschikisch-usbekisch geprägten Norden eher ungebräuchlich. Doch ihre Botschaft lässt sich nicht missverstehen: Ab sofort ist die Geburtsklinik von Badakshan geschlossen. Alle Mitarbeiterinnen müssen weg. Die Einrichtung wird ohne sie nach Paktia verlegt, also ins Stammland der hauptsächlich paschtunischen Taliban. „In der der Nacht zum 2. Januar starben mehrere Patientinnen“, berichtet die Ärztin wenige Tage später am Telefon. „Es gab einfach keine Gynäkologinnen und keine Hebammen mehr, niemand konnte sich noch um sie kümmern.“ Frauen, Neugeborene und Ungeborene, alleingelassen und ohne medizinische Versorgung – nicht nur nach den Befürchtungen von Ärztin Feyra könnte das die Langzeitfolge jener Studien- und Arbeitsverbote sein, die der De-facto-Staatschef des Islamischen Emirats Afghanistan, Mullah Ahandzadeh, Ende 2022 im südafghanischen Kandahar verkünden ließ.