
Bild: Seoul Lee Jae-myung, Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei, während der Auftaktkundgebung des Wahlkampfes in Seoul, 12.5.2025 (IMAGO / NurPhoto / Chris Jung)
Es ist mehr als nur ein Klischee, dass die südkoreanische Demokratie zu den lebhaftesten in ganz Asien zählt. Seit der Wahlkampf Anfang Mai offiziell eingeläutet wurde, sind die gläsernen Fassaden der Bürotürme in der Hauptstadt Seoul mit riesigen Plakaten der Spitzenkandidaten zugepflastert. Pickup-Trucks mit dröhnenden Lautsprecheranlagen werden von den lokalen Parteimitgliedern durch die Nachbarschaften gefahren. Und im Stadtzentrum zieht die Zivilgesellschaft täglich in Massen durch die Straßen – von linken Gewerkschaftsbünden über LGBTQI-Organisationen bis hin zu erzkonservativen christlichen Kirchengemeinden.
Doch bei der vorgezogenen Präsidentschaftswahl am 3. Juni handelt es sich um keinen gewöhnlichen Urnengang. Die Demokratie des ostasiatischen Tigerstaates ist während der vergangenen Monate durch den wohl härtesten Stresstest in ihrer noch jungen Geschichte gegangen. Und dementsprechend steht weitaus mehr auf dem Spiel als nur die Frage, ob das Land künftig von einem konservativen oder einem linken Staatsoberhaupt geleitet wird. Vor allem entscheidet sich, ob Südkorea seine jahrzehntealte, extreme Polarisierung endlich überwinden wird – und zu einer politischen Kultur der lagerübergreifenden Zusammenarbeit finden kann.
Es war in den Nachtstunden des 3. Dezember 2024, als der damalige Präsident Yoon Suk Yeol vollkommen überraschend das Kriegsrecht ausrief.