Ausgabe April 2014

Ein Herz für Hoeneß

Resozialisierung ist in einem Rechtsstaat ein hohes Gut, bedeutet sie doch für jeden Straftäter das Recht, nach dem Strafvollzug wieder ein Leben in Würde und ohne Ächtung zu führen. Bloß in Bayern hielt man es lange lieber mit der Vergeltung, dem Prinzip von Schuld und Sühne – jedenfalls dann, wenn es sich um den „Bodensatz“ der Gesellschaft handelte. Doch im Fall Hoeneß soll das Prinzip der Abschreckung offenbar nicht gelten. Im Gegenteil: Heuer konnte man den ersten Fall einer juristischen Wunderheilung erleben.

Eben noch hatte ein ganzes Land atemlos verfolgt, wie sich die von Hoeneß hinterzogene Steuerschuld erst von 3,5 auf eingestandene 18,5 Millionen Euro erhöhte, um dann im Stundentakt bis auf 28,5 Millionen zu klettern. Das Ergebnis war ein durchaus mildes Urteil von dreieinhalb Jahren. Denn laut einer Grundsatzentscheidung des BGH sind bei Steuerhinterziehungen von über einer (sic!) Million Euro grundsätzlich Haftstrafen ohne Bewährung fällig – in einem besonders schweren Fall wie diesem von bis zu zehn Jahren. – Doch kaum hatte der Bayernboss auf eine Revision verzichtet, schon um keine höhere Haftstrafe zu riskieren, kannte die Begeisterung kein Halten mehr.

Sie haben etwa 32% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 68% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Mythos grüne Digitalisierung

von Ingo Dachwitz, Sven Hilbig

Der Klang der Zukunft ist ein leises, elektrisches Dröhnen, das in den Knochen vibriert. Hier im Rechenzentrum herrscht niemals Stille. Es ist erfüllt von einem monotonen Chor mechanischer Flüstertöne.