Ausgabe Mai 2015

Feindbild Ghetto

Wie der amerikanische »War on Crime« Rassismus produziert

Polizeigewalt gehört für viele schwarze Amerikaner zum Alltag – das zeigten in besonders dramatischer Weise die tödlichen Schüsse weißer Polizeibeamter auf schwarze Männer in Ferguson wie auch jüngst in North Charleston. Vor diesem Hintergrund wirft die US-Soziologin Alice Goffman ein Schlaglicht auf das Leben der ghettoisierten schwarzen Armutsbevölkerung: Die Politik der Null-Toleranz hat im Zusammenspiel mit dem Abbau sozialstaatlicher Regelungen dazu geführt, dass ein Großteil des alltäglichen Lebens vieler schwarzer US-Amerikaner kriminalisiert wird. In einer umfangreichen Reportage, die in der Tradition der teilnehmenden Beobachtung steht, berichtet Goffman von ihren Erfahrungen als langjährige Bewohnerin eines armen schwarzen Viertels in Philadelphia. »On the Run« heißt ihr soeben im Antje Kunstmann Verlag auf Deutsch erschienenes Buch, auf dem der folgende Text basiert. Die Übersetzung stammt von Noemi von Alemann, Gabriele Gockel und Thomas Wollermann. – D. Red.

Fast das gesamte 20. Jahrhundert hindurch blieb die Anzahl der in den USA inhaftierten Menschen konstant bei etwa einer von tausend Personen der Gesamtbevölkerung.[1] In den 1970er Jahren begann diese Rate jedoch anzusteigen und kletterte innerhalb der nächsten 30 Jahre immer weiter steil nach oben.[2] Anfang des 21. Jahrhunderts saßen so viele Menschen wie niemals zuvor in der Geschichte der USA im Gefängnis.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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