Ausgabe November 2016

»Weil wir es uns leisten können«

Wie und warum wir über die Verhältnisse anderer leben

A rising tide lifts all boats, die Flut hebt alle Boote: Dieses in den frühen 1960er Jahren durch den US-amerikanischen Lieblingspräsidenten John F. Kennedy popularisierte Fortschrittsmotto und Beruhigungsmantra für die wohlstandskapitalistische Gesellschaft ist heute unglaubwürdig geworden. Der Wohlstandskapitalismus hat die innergesellschaftlichen Ungleichheiten zuletzt nicht mehr abmildern können, sondern tendenziell verschärft. Und weltgesellschaftlich gesehen hat er den Globus im 20. Jahrhundert tatsächlich überschwemmt – mit Überfluss hier und Überflutungen dort. Diese Fluten kommen nicht etwa nach uns: Die Sintflut ist schon da, gleich neben uns.

Eines der beliebtesten Versatzstücke des üblicherweise „neoliberal“ genannten, vielleicht aber treffender als „wohlstandsautoritär“ zu bezeichnenden gesellschaftlichen Diskurses lautet, wir hätten „über unsere Verhältnisse“ gelebt. In der Regel wird dieser scheinbare Selbstvorwurf von sogenannten Wirtschaftsweisen und vermeintlich verantwortungsbewussten Finanzpolitikern jeweils an andere adressiert, nämlich an ein gesellschaftliches Publikum, dem bedeutet wird, seine materiellen Ansprüche seien mit der Zeit über die Maßen gewachsen und gefährdeten die fortgesetzte ökonomische Prosperität des Gemeinwesens.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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