Ausgabe März 1990

Volkspartei und Volksgeist

Notizen zum intellektuellen Wahlkampf

"Es gibt unter der Mehrheit der deutschen Intellektuellen keine Vorstellung mehr von der Nation" (Karl Heinz Bohrer, "Merkur", 12/1989) So tief, wie Peter Brandt im (mit dem sozialdemokratischen Mitgliedermagazin) neuvereinigten "Vorwärts" meinte 1), kann das "nationale Trauma" der restdeutschen Linken eigentlich nicht gesessen haben. Jedenfalls dann nicht, wenn man auch die deutsche Sozialdemokratie zu dieser Linken rechnen will. Ehrenvorsitzender Willy freute sich im Schulterschluß zwischen Berliner Parteitag und dem befreiten Rostock zur Eröffnung des deutsch-deutschen Wahljahres: "Die deutsche Sozialdemokratie ist wieder da - in Deutschland."

Das V o l k in der DDR fand seinen aufrechten Gang wieder, und im Westen wenden Linke wie Rechte die Hälse und blicken auf ein Neues Deutschland. In der christlichen Volkspartei hat - seit Jakob Kaiser - gerade die Linke ihre vom "Kanzler der Alliierten" (Schumacher) schmählich verratene gesamtdeutsche Tradition. Jetzt sehen Ulf Fink und Uwe Lehmann-Brauns vom Unions-Arbeitnehmerflügel endlich wieder zusammenwachsen, was zusammengehört. Beim Zusammenwachsen von Ost-CDU, der Kreuth-Leipziger Gründung C(D)SU und Demokratischem Aufbruch mußte freilich Adenauers Enkel Kohl noch etwas nachhelfen.

März 1990

Sie haben etwa 6% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 94% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Immer jünger, immer rechter: Teenager mit Baseballschlägern

von David Begrich

Ihre Haare sind kurz, gescheitelt und streng gekämmt. Sie zeigen den White Power- oder gar den Hitlergruß. Ist der Aufschwung der rechtsextremen Jugendszene wirklich etwas Neues – oder nur eine Fortsetzung neonazistischer Gewalt?

Maskulin und libertär

von Stefan Matern, Sascha Ruppert-Karakas

Echte Männer sind rechts“ – das auf Social Media viral gegangene Video des AfD-Politikers Maximilian Krah ist mehr als nur ein lapidares Bekenntnis zu traditionellen Familien- und Geschlechterrollen. Es ist vielmehr der strategische Versuch, junge Menschen niedrigschwellig an AfD-Positionen heranzuführen. Im provokanten Politainmentstil bespielt die Partei auf den digitalen Plattformen unpolitisch anmutende Themen rund um die Probleme und persönlichen Unsicherheiten junger Männer.