Ausgabe Dezember 1991

Gratwanderung.

Gewerkschaftliche Tarifpolitik in Ost- und Westdeutschland

Es hatte alles so schön angefangen. Als die IG Metall Anfang März den Tarifvertrag mit einer Anhebung der Verdienste für die ostdeutschen Metaller auf Westniveau bis 1994 unter Dach und Fach hatte, gab es offene Anerkennung von allen Seiten. Selbst die Wirtschaftspresse zeigte sich einverstanden: "Noch nicht die Zeit der Betriebswirte", schrieb das "Handelsblatt" und zitierte zustimmend Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Kirchner mit der Bemerkung: "Wir konnten uns in den neuen Bundesländern nicht tarifpolitisch totstellen." Als sich jedoch eine Zuspitzung der ökonomischen Krise in der ehemaligen DDR abzeichnete, begann die Suche nach den "Schuldigen".

Prompt wurde der "Spiegel" fündig und stellte - immerhin drei Monate später - bei Unternehmern und Politikern "helles Entsetzen" über die Tarifabschlüsse in Ostdeutschland fest. Die Kritik häufte sich und gipfelte in der Forderung Lambsdorffs, notfalls müsse der Staat eingreifen, damit die Unternehmer zeitweilig aus den Tarifverträgen aussteigen könnten. Auch die Tarifabschlüsse im Westen blieben nicht ungeschoren. Kritisiert wurde nicht nur ihre Höhe allgemein (durchschnittlich 6,6%), sondern auch ihre Folgewirkungen im Osten.

Dezember 1991

Sie haben etwa 9% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 91% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Flucht vor der Verantwortung: Lieferkettengesetze am Ende?

von Merle Groneweg

Der 11. September erinnert nicht nur an den Einsturz des World Trade Centers in New York, sondern auch an eine der schwersten Katastrophen in der Textilindustrie: den Brand in der Fabrik Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan.

Ohne EU-Mindestlohn kein soziales Europa

von Roland Erne

Nach Jahren antisozialer Politik infolge der Finanzkrise von 2008 standen soziale Fragen in der vergangenen Legislatur der EU wieder weiter oben auf der Agenda. Zwischen 2022 und 2024 verabschiedeten das EU-Parlament und der Rat seit langem wieder mehrere soziale EU-Gesetze, darunter die Richtlinie über „angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“.

Drei Millionen ohne Abschluss: Was tun?

von Maike Rademaker

Die Zahl war lediglich einen Tag lang einige Schlagzeilen wert: Rund 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hierzulande haben keinen Berufsabschluss. Maike Rademaker analysiert Gründe und Lösungsansätze.