Gewerkschaftliche Tarifpolitik in Ost- und Westdeutschland
Es hatte alles so schön angefangen. Als die IG Metall Anfang März den Tarifvertrag mit einer Anhebung der Verdienste für die ostdeutschen Metaller auf Westniveau bis 1994 unter Dach und Fach hatte, gab es offene Anerkennung von allen Seiten. Selbst die Wirtschaftspresse zeigte sich einverstanden: "Noch nicht die Zeit der Betriebswirte", schrieb das "Handelsblatt" und zitierte zustimmend Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Kirchner mit der Bemerkung: "Wir konnten uns in den neuen Bundesländern nicht tarifpolitisch totstellen." Als sich jedoch eine Zuspitzung der ökonomischen Krise in der ehemaligen DDR abzeichnete, begann die Suche nach den "Schuldigen".
Prompt wurde der "Spiegel" fündig und stellte - immerhin drei Monate später - bei Unternehmern und Politikern "helles Entsetzen" über die Tarifabschlüsse in Ostdeutschland fest. Die Kritik häufte sich und gipfelte in der Forderung Lambsdorffs, notfalls müsse der Staat eingreifen, damit die Unternehmer zeitweilig aus den Tarifverträgen aussteigen könnten. Auch die Tarifabschlüsse im Westen blieben nicht ungeschoren. Kritisiert wurde nicht nur ihre Höhe allgemein (durchschnittlich 6,6%), sondern auch ihre Folgewirkungen im Osten.