Zur aktuellen Situation der deutsch-polnischen Beziehungen
Mit dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17. Juni d.J. (Wortlaut in "Blätter", 8/1991, S. 1000-1011) sin d die deutsch-polnischen Beziehungen in ein neues Stadium getreten. Die Grenzfrage erscheint als endlich und endgültig offiziell geklärt. Jetzt stehe, heißt es in Bonn, eine der deutsch-französischen Aussöhnung vergleichbare umfassende Verbesserung der Beziehungen auch mit dem östlichen Nachbarn der größer gewordenen Bundesrepublik auf der Tagesordnung. Die ausgeklammerten, weil kontrovers gebliebenen und auf beiden Seiten weiter schwelenden Fragen - Minderheitenrechte und Entschädigungszahlungen beispielsweise demonstrieren ebenso wie Situation und politisches Klima an der neuen Ostgrenze der Bundesrepublik, daß "gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit" bislang schöne Worte bleiben. Dabei wäre es in der Tat Ausweis der überfälligen Abkehr deutscher Außenpolitik von der unter Bonner wie unter Weimarer Auspizien gepflegten ostpolitischen Doppelbödigkeit, wenn Bonn oder Berlin mit Warschau künftig umgehen würden wie mit Paris und wenn an der Odergrenze wirklich Verhältnisse wie an der deutsch-französischen Grenze einzögen.