Der Umbruch in Mittel- und Südosteuropa, verbunden mit dem Zerfall der Sowjetunion, verändert die kontinentale (und globale) Konstellation auf dramatische Weise. Ob die vor 1989 abgesteckten Ziele der westeuropäischen Integration auch unter den veränderten Bedingungen erreichbar bleiben oder beträchtlich modifiziert werden müssen, ob "Vertiefung" und "Erweiterung" der EG tatsächlich kompatibel sind, wird auch nach dem Gipfel von Maastricht (Dezember 1991) kontrovers diskutiert. Aus der Sicht des langjährigen EG-Praktikers, der heute auch akademisch mit europäischen Fragen befaßt ist, kommt der nachstehende Beitrag von Botschafter a.D. Walter Ungerer: bis 1989 Ständiger Vertreter der Bundesrepublik bei der EG, heute Rektor des College d'Europe in Brügge. D. Red.
Die Welt hat sich in den letzten zwei Jahren mehr verändert als in den zwanzig Jahren zuvor. Der Ost-West-Gegensatz in Europa, bewirkt und beherrscht von zwei Supermächten, ist verschwunden und mit ihm all die negativen Auswirkungen, die dieser Gegensatz nicht nur für Europa, sondern auch für die Dritte Welt mit sich brachte. Eine Supermacht hat sich aufgelöst. Ihr strategisches Vorfeld hatte sie schon vorher aufgegeben. Ihre Ideologie und ihr politisches, gesellschaftliches und wirtschaftliches System ist zerbrochen.