Zum zweitenmal innerhalb eines halben Jahrhunderts steht die deutsche Justiz vor dem Problem einer juristischen Vergangenheitsbewältigung. 1945 begann die Aufarbeitung des NS-Unrechts, 1990 die des DDR-Unrechts. Es ist Zeit für eine Zwischenbilanz. Dem Vergleich mit der Verfolgung von NS-Unrecht kann man nicht aus dem Wege gehen, auch wenn es grundlegende Unterschiede gibt. Jedenfalls deutet sich schon jetzt eine gewisse Gemeinsamkeit an. Auch der Verfolgung von DDR-Unrecht wird kein großer Erfolg beschieden sein. Beim NS-Unrecht gab es ja ein regelrechtes Debakel.
Nachdem die Verurteilung der sogenannten Hauptkriegsverbrecher vor dem alliierten Militärtribunal in Nürnberg von den Deutschen als politische Siegerjustiz begriffen wurde, also als ein Racheakt, der auf der politischen Bühne stattfand und nicht auf einer juristischen Ebene, war der Blick auf das Problem zunächst verstellt. Justitia hatte nicht nur eine Binde vor den Augen, sie war fast blind. Erst sehr spät erkannte man, daß die Verfolgung von NS-Unrecht auch und in erster Linie eine Aufgabe der deutschen Justiz sei. Der Umschwung in der öffentlichen Meinung kam nach 1956, als es Adenauer bei seinem Besuch in Moskau gelungen war, Tausenden von deutschen Kriegsgefangenen den Weg in die Heimat freizumachen.