Man kann nach den Landtagswahlen fast 700000 "Protestwähler" nicht mehr gut als "lunatic fringe" der neuen deutschen Gesellschaft abtun und mit Nichtachtung strafen. Die Verfechter der Theorie, daß die repräsentative Demokratie sich am besten über das Parteiensystem, definiert durch Wahlgesetz, Parteiengesetz und Wahlkostenerstattung realisiert, sind aufgeschreckt. Was 30% Nichtwähler nicht erreichen, weil ihre politische Verdrossenheit sozusagen vorsteuerlich abgeschrieben werden kann, das erreichen 10% Wähler rechts von den Christdemokraten. Die medienöffentlichen Reaktionen nach diesem Ereignis sind auf charakteristische Weise hilflos. Die Parteien wissen nicht, was sie außer dem Gemeinplatz, daß das bedauerliche Denkzettel waren, und außer den fortgesetzten Schienbeintritten jeweils nach der anderen Seite dazu sagen sollen. Elefantenrunden werden vorsichtshalber nicht mehr veranstaltet sie bereiten den Elefanten zuviel Verlegenheit, und auch den Veranstaltern, die nicht mehr wissen, ob sie nun die Grünen dazu einladen müßten oder nicht, ob sie die Rechtsaußenparteien von ihrem Katzentisch an die Haupttafel zurückholen sollen, nachdem sie in zwei Ländern zur drittstärksten Kraft nach den beiden Hauptelefanten aufgestiegen sind.
In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn.