Ausgabe Oktober 1992

Bonn, der Westen und die Auflösung Jugoslawiens

Das Versagen der Diplomatie - Chronik eines Skandals

Jugoslawien wurde ursprünglich als ein Problem betrachtet, das Europa - die EG selbständig lösen sollte. Dafür sprachen die Geographie, aber auch die Geschichte; auch wenn die europäischen Mächte in der Vergangenheit beim Umgang mit Unruhen in Jugoslawien versagt haben mögen, so war dies doch vor der Zeit, in der Frankreich, Großbritannien, Italien und - vor allem - Deutschland sich institutionell eng miteinander verbunden hatten. Zugleich besaßen sie, weil Jugoslawien den größeren Teil seines Außenhandels mit EG-Ländern abwickelte, Einflußmöglichkeiten. Zumindest schien es so.

Im übrigen war der Konflikt im Persischen Golf hauptsächlich eine amerikanische Show gewesen, und in Europa sah man die Probleme auf dem Balkan als eine Gelegenheit an, den Taktstock zu übernehmen, wenn auch vielleicht nur auf Zeit. Jugoslawien sollte also ein Testfall für die Gemeinschaft werden, die eine gemeinsame Außenpolitik anstrebte. Aus Washington kamen keine Einwände. Dort schien die Einschaltung in Balkanfragen mit gewaltigen Problemen und wenig Aussicht auf politische Erfolge verbunden. Hinzu kam das Geplänkel mit Paris über Amerikas Rolle in Europa nach dem Verschwinden der sowjetischen Bedrohung, bei dem die Deutschen zwischen den Fronten eingeklemmt waren, während Genscher in Washingtons Augen Paris zuneigte.

Oktober 1992

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