Ausgabe Oktober 1992

Bonn, der Westen und die Auflösung Jugoslawiens

Das Versagen der Diplomatie - Chronik eines Skandals

Jugoslawien wurde ursprünglich als ein Problem betrachtet, das Europa - die EG selbständig lösen sollte. Dafür sprachen die Geographie, aber auch die Geschichte; auch wenn die europäischen Mächte in der Vergangenheit beim Umgang mit Unruhen in Jugoslawien versagt haben mögen, so war dies doch vor der Zeit, in der Frankreich, Großbritannien, Italien und - vor allem - Deutschland sich institutionell eng miteinander verbunden hatten. Zugleich besaßen sie, weil Jugoslawien den größeren Teil seines Außenhandels mit EG-Ländern abwickelte, Einflußmöglichkeiten. Zumindest schien es so.

Im übrigen war der Konflikt im Persischen Golf hauptsächlich eine amerikanische Show gewesen, und in Europa sah man die Probleme auf dem Balkan als eine Gelegenheit an, den Taktstock zu übernehmen, wenn auch vielleicht nur auf Zeit. Jugoslawien sollte also ein Testfall für die Gemeinschaft werden, die eine gemeinsame Außenpolitik anstrebte. Aus Washington kamen keine Einwände. Dort schien die Einschaltung in Balkanfragen mit gewaltigen Problemen und wenig Aussicht auf politische Erfolge verbunden. Hinzu kam das Geplänkel mit Paris über Amerikas Rolle in Europa nach dem Verschwinden der sowjetischen Bedrohung, bei dem die Deutschen zwischen den Fronten eingeklemmt waren, während Genscher in Washingtons Augen Paris zuneigte.

Oktober 1992

Sie haben etwa 2% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 98% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Die neue Merz-Doktrin?

von Jürgen Trittin

Jahrzehntelang durfte in keiner Grundsatzrede eines deutschen Politikers in Regierungsverantwortung der Satz fehlen: „Wir setzen auf die Stärke des Rechts statt auf das Recht des Stärkeren.“ Doch das war einmal. Bundeskanzler Merz‘ lautstarkes Räsonieren über den Krieg Israels gegen den Iran markiert den Bruch mit dieser Tradition.

Eigennutz statt Solidarität

von Klaus Seitz

Etwa eine Milliarde Euro weniger als im vergangenen Jahr steht dem Bundesentwicklungsministerium 2025 zur Verfügung. Doch nicht nur der Spardruck macht der Entwicklungszusammenarbeit zu schaffen, auch die strategische Neuausrichtung gefährdet ihre Zukunftsfähigkeit.

Besser als ihr Ruf: Die europäische Afrikapolitik

von Roger Peltzer

Schon unter Angela Merkel hat der afrikanische Kontinent in der deutschen Bundesregierung große politische Aufmerksamkeit erfahren. Die Ampelregierung setzt diesen Kurs fort: Seit seinem Amtsantritt reiste Bundeskanzler Olaf Scholz jedes Jahr nach Afrika.