Ausgabe September 1992

Über die Schwierigkeiten, des Phänomens DDR Herr zu werden

Der Weg eines westdeutschen Lesers zur ostdeutschen Sammlungsbewegung

Verwundert - und auch entrüstet - haben sich viele gefragt, was denn die Unterschriften von Leuten aus dem Westen unter dem Mitte Juli veröffentlichten Aufruf zur Gründung von "Komitees für Gerechtigkeit" (Wortlaut in "Blätter", 8/1992, S. 1023 f.) zu suchen hätten. Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Gerster sprach von einem "Kuriosum für Gescheiterte" und nannte die Gründungsmitglieder ein Sammelsurium von Erben des SED-Staates, Stasi-Verstrickten und frustrierten West-Sozialisten. Andere sprachen davon, man habe es mit DDR-Nostalgikern zu tun, und wieder andere wurden durch das Gespann Gysi-Diestel abgestoßen. Weder habe ich Schwierigkeiten mit den Initiatoren des Aufrufs, noch finde ich auch nur eine der angebotenen Etiketten für mich oder andere, die den Aufruf unterschrieben haben, zutreffend. Abgesehen davon, daß mir der Name des Komitees etwas zu anspruchsvoll daherkommt, ist es dann doch erschreckend, wie wenig Leute aus dem Westen unterschrieben haben.

Denn: Wovon in dem Aufruf die Rede ist, geht uns alle an. Wo leben die, die wie der FDP-Generalsekretär Lühr von "Rattenfängerei" reden? Ich jedenfalls habe vor und nach dem Fall der Mauer im Westen gelebt, bin in den Osten gereist, habe gesehen, gehört und vor allem gelesen.

September 1992

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Immer jünger, immer rechter: Teenager mit Baseballschlägern

von David Begrich

Ihre Haare sind kurz, gescheitelt und streng gekämmt. Sie zeigen den White Power- oder gar den Hitlergruß. Ist der Aufschwung der rechtsextremen Jugendszene wirklich etwas Neues – oder nur eine Fortsetzung neonazistischer Gewalt?

Maskulin und libertär

von Stefan Matern, Sascha Ruppert-Karakas

Echte Männer sind rechts“ – das auf Social Media viral gegangene Video des AfD-Politikers Maximilian Krah ist mehr als nur ein lapidares Bekenntnis zu traditionellen Familien- und Geschlechterrollen. Es ist vielmehr der strategische Versuch, junge Menschen niedrigschwellig an AfD-Positionen heranzuführen. Im provokanten Politainmentstil bespielt die Partei auf den digitalen Plattformen unpolitisch anmutende Themen rund um die Probleme und persönlichen Unsicherheiten junger Männer.