Ausgabe November 1993

Bürger auf Karten

Totalerfassung durch sozialökologische Rationierungssysteme

Wir stehen in Deutschland und anderen Industriestaaten am Anfang einer Ära der sozialökologischen Rationierung. Wesentliches Merkmal dieser Zeit sind flächendeckende elektronische Kontroll- und Zuteilungssysteme für angebliche "Krisenressourcen". Kontrollund Rationierungssysteme werden derzeit u.a. eingeführt für Sozialleistungen, für Geburten, Arbeit, Einwanderung, für Gesundheitsleistungen, harte Drogen, für Personentransporte und Abfallbeseitigung. Wesentliche Bestandteile dieser Systeme sind maschinenlesbare Individualisierungsmittel, z.B. Chipkarten. Diese Systeme bewirken Schrumpfung der Privatsphäre und totalitäre Entmündigung. Aussichten der Dissidenz liegen u.a. im informellen Sektor, in neuen Formen ökonomischer, politischer und persönlicher Zusammenschlüsse.

1. Die Neue Opferbereitschaft

Das Interesse am Datenschutz ist nahezu auf den Nullpunkt gesunken. Das Gesundheitsstrukturgesetz und der Solidarpakt brachten eine staatliche Datenerfassung und Überwachung, die bei weitem in den Schatten stellte, was mit der Volkszählung beabsichtigt worden war, gegen die vor zehn Jahren noch Hunderttausende aktiv wurden. Die einzigen, die jetzt protestierten, waren die beamteten Datenschützer und vereinzelte Initiativen. Die politische und emotionale Haltung derjenigen, die die Datenschutz-Bewegung der 80er Jahre trugen, hat sich geändert.

November 1993

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