Ausgabe November 1993

Zeichen der Exotik, Zeichen des Elends

Die Dritte Welt in der Werbung

Exotische Gegenwelten: die Lifestyle-Ästhetik moderner Kaufanreize

Die Dekonstruktion der großen Meta-Erzählungen, der politischen Heilsversprechen des 20. Jahrhunderts, haben die Ikonen und Mythen des werblich-industriellen Komplexes schadlos überstanden 1). Der Verlust politischer Utopien scheint den kommerziellen Illusionsproduzenten im Zeichen von Design-Kult und ästhetisierter Lebenshaltung sogar eine ungeahnte Konjunktur-Hausse gebracht zu haben: angesichts allgemeiner Sinnkrisen werden Werbeagenturen zu neuen Sinnproduzenten und ihre Sinnträger, Produkte und Firmennamen, optimal mit Symbolen kultureller Repräsentation aufgeladen. Unter den vielfältigen Diskursen der kommerziellen Werbung nimmt die Repräsentation der Dritten Welt einen immer breiteren Raum ein: sei es als Traumstrandkulisse exklusiv-kulinarischer Genüsse, als Vergegenwärtigung aufregender Abenteuerromantik, als Hintergrund humoresker Camel-Comics oder Inszenierung antirassistischer Toleranzaktionen in klassenübergreifenden Come-TogetherMythen. Die exotischen Traumlandschaften dienen als Flucht- und Wunschmotive zivilisationsmüder Weißer; angesichts zunehmender urbaner Anomie, Fremdbestimmung und räumlicher Enge in den hochindustrialisierten Zentren des Westens stillen sie den emotionalen Hunger nach authentischen Erfahrungen, Selbstbestimmung und räumlicher Weite.

November 1993

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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