Darin waren sich nach dem Untergang der DDR fast alle einig: wenn es die deutsche Justiz schon nicht fertiggebracht hatte, auch nur einen einzigen Nazirichter rechtskräftig zu verurteilen, dann sollten jetzt wenigstens die ehemaligen SED-Richter für begangenes Unrecht ordentlich büßen.
Aber inzwischen ist manch einer kleinlaut geworden, beispielsweise der langjährige Sprecher der Zentralen Erfassungsstelle für DDR-Unrecht in Salzgitter, HansJürgen Grasemann. Hatte er im Oktober 1990 mit den Worten, in der DDR seien "wirklich furchtbare Juristen" am Werk gewesen, die nicht nur "unbotmäßig harte Urteile gefällt, sondern auch Recht gebeugt" hätten 1), zum Halali geblasen, äußerte er sich kaum zwei Jahre später ziemlich zurückhaltend über die Erfolgsaussichten der erstrebten Abrechnung mit der DDR-Justiz. Auf einem Historikerkongreß in Hannover nannte er es "besonders schwierig", frühere DDR-Richter wegen Rechtsbeugung zu belangen 2).
Genau so ist es, und all jene, die nach der Vereinigung der Teilstaaten so etwas wie juristische Wiedergutmachung versprachen, hätten es wissen können: die ehemaligen Richter des Arbeiter- und Bauernstaates werden heute zu Nutznießern höchstrichterlicher Entscheidungen in Verfahren gegen ehemalige Nazirichter.