Ausgabe Februar 1994

Gemeinsame Erklärung zu Nordirland

abgegeben vom britischen Premierminister John Major und dem irischen Ministerpräsidenten Albert Reynolds am 15. Dezember 1993

Mit der nachstehend dokumentierten Erklärung richten der britische Premierminister und der irische Ministerpräsident ein Gesprächsangebot an die Bürgerkriegsparteien in Nordirland. Im Dezember vergangenen Jahres waren Kontakte zwischen der Irisch-Republikanischen-Armee (IRA) und der britischen Regierung bekannt geworden, letztere hatte Verbindungen zuvor stets bestritten. „Offizielle" Stellungnahmen (das 20 Jahre bestehende Verbot von Rundfunkund Fernsehinterviews wurde von der irischen Regierung erstmals nicht verlängert) von Sinn Fein, der politischen Vertretung der IRA, liegen bislang nicht vor und werden frühestens für Ende Januar erwartet. Bisherige, inoffizielle Äußerungen waren tendenziell ablehnend und forderten vor allem weitere Erläuterungen zu einzelnen Passagen der Erklärung. Während die britische Regierung die Erklärung für sich stehen lassen will, äußert sich der irische Ministerpräsident in Reden und Interviews. Am 2. Januar unterbreitete Reynolds Vorschläge für eine Entmilitarisierung Nordirlands. D. Red.

1. Ministerpräsident *) Albert Reynolds und Premierminister John Major erkennen an, daß die dringendste und wichtigste Aufgabe für die Menschen in Irland, im Norden wie im Süden, sowie für die britische und die irische Regierung darin besteht, die Ursachen des Konflikts zu beseitigen, das Vermächtnis der Geschichte zu bewältigen und die sich daraus ergebenden Spaltungen zu heilen. Sie tun dies in dem Bewußtsein, daß das Fehlen einer dauerhaften und zufriedenstellenden Regelung der Beziehungen zwischen den Völkern beider Inseln zu fortwährenden Tragödien und Leiden beigetragen hat. Sie sind der Ansicht, daß die Entwicklung eines gemeinsamen Rahmens für den Frieden, der seit Anfang letzten Jahres von ihnen erörtert wurde und auf einer Reihe zentraler, von beiden Regierungen im Laufe der vergangenen 20 Jahre festgelegter Grundsätze basiert, in Verbindung mit anderen allgemein anerkannten Grundsätzen den Ausgangspunkt für einen Friedensprozeß darstellt, der auf eine politische Regelung abzielt.

2. Der Ministerpräsident und der Premierminister sind davon überzeugt, daß die Überwindung der Spaltungen in Irland und die Beilegung eines Konflikts, der sich so offenkundig zum Nachteil aller Beteiligten ausgewirkt hat, für ihre Völker und insbesondere für die nächste Generation von unschätzbarem Wert sind. Beide erkennen an, daß die Spaltungen nur zu überwinden sind durch eine Übereinkunft und die Zusammenarbeit der Bevölkerungsgruppen in Nord und Süd, die die beiden Traditionen in Irland repräsentieren. Sie verpflichten sich daher feierlich zur Förderung der Zusammenarbeit auf allen Ebenen auf der Basis der fundamentalen Grundsätze und Verpflichtungen im Rahmen internationaler Abkommen, die sie gemeinsam getroffen haben, und auf der Grundlage der Garantien, die jede Regierung gegeben hat und jetzt bekräftigt, darunter auch die Verfassungsgarantie für Nordirland. Ihr Ziel ist die Förderung der Einigung und Versöhnung zur Schaffung eines neuen politischen Rahmens, der auf Übereinstimmung basiert und Regelungen innerhalb Nordirlands, für die gesamte Insel und für beide Inseln beinhaltet.

3. Sie sind außerdem der Meinung, daß die Entwicklung Europas neue Konzepte erforderlich machen wird, die den gemeinsamen Interessen beider Teile Irlands dienen, sowie den Interessen von Irland und Großbritannien als Partner in der Europäischen Union. [...]

 

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