Ausgabe Februar 1994

Teil des Problems oder Teil der Lösung?

Die Gewerkschaften zwischen politischer Offensive und Marginalisierung

Wer sich Anfang 1994 die Lage der Gewerkschaften vor Augen hält, dem bietet sich nicht gerade ein erfreuliches Bild. Es ist schlecht bestellt um die Chancen gewerkschaftlicher Gegenwehr. Schon wenn es gilt, Vorhandenes zu verteidigen, vermitteln die Gewerkschaften den Eindruck der Schwäche. Messen wir sie an dem Anspruch, sozial- und gesellschaftspolitisch in die Offensive zu kommen, so ist die Lage noch besorgniserregender.

Unternehmerische "Überkompensation" und gewerkschaftliche Defensive

Dies alles hat Gründe. Um nur einige aktuelle Faktoren in Erinnerung zu rufen: - Die Bundesrepublik ist, wie andere Industriestaaten auch, von einer tiefen wirtschaftlichen Krise gezeichnet. Ein Ende ist nicht in Sicht, allen Prognosen politischer Berufsoptimisten zum Trotz. - Noch nie waren so viele Menschen arbeitslos. Zählt man nicht nur die von den Arbeitsämtern registrierten Arbeitslosen, so fehlen derzeit annähernd sechs Millionen Arbeitsplätze. - Wenn die Belegschaften Angst um ihre Arbeitsplätze haben, fällt ihnen erfahrungsgemäß Gegenwehr schwer. Wenn einzelne Arbeitnehmer/innen oder ganze Belegschaften gegeneinander ausgespielt werden, ist es nicht leicht, Solidarität zu entwickeln. - In der aktuellen Auseinandersetzung um die Pflegeversicherung wurde der Begriff der "Überkompensation" geprägt.

Er kann derzeit als allgemeine Maxime gelten.

Februar 1994

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Flucht vor der Verantwortung: Lieferkettengesetze am Ende?

von Merle Groneweg

Der 11. September erinnert nicht nur an den Einsturz des World Trade Centers in New York, sondern auch an eine der schwersten Katastrophen in der Textilindustrie: den Brand in der Fabrik Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan.

Ohne EU-Mindestlohn kein soziales Europa

von Roland Erne

Nach Jahren antisozialer Politik infolge der Finanzkrise von 2008 standen soziale Fragen in der vergangenen Legislatur der EU wieder weiter oben auf der Agenda. Zwischen 2022 und 2024 verabschiedeten das EU-Parlament und der Rat seit langem wieder mehrere soziale EU-Gesetze, darunter die Richtlinie über „angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“.

Drei Millionen ohne Abschluss: Was tun?

von Maike Rademaker

Die Zahl war lediglich einen Tag lang einige Schlagzeilen wert: Rund 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hierzulande haben keinen Berufsabschluss. Maike Rademaker analysiert Gründe und Lösungsansätze.