Ausgabe Januar 1994

Superseehofer

Moderne Zeiten im Gesundheitswesen

Für die Liebhaber von Institutionen war ein schwieriges Jahr: Erst gerieten Bundeskriminalamt und Generalbundesanwaltschaft nach den Pannen in und um Bad Kleinen in die Negativschlagzeilen, dann wurde mit der vom Bundesgesundheitsminister angekündigten Schließung des Bundesgesundheitsamts (BGA) auch noch der Ruf der obersten Bundesbehörde für den Verbraucher- und Gesundheitsschutz selbst in den Augen derjenigen arg angekratzt, denen gerade dieses Amt immer als überparteiliche und neutrale Instanz galt. Anfang Oktober trat Minister Seehofer vor die Presse und informierte die Öffentlichkeit im Brustton des Entsetzens über eine ihm bislang nicht bekannte Liste des BGA über 373 Fälle von HIVInfektionen durch Blut und Blutprodukte.

Damit lebte die aus der zweiten Hälfte der 80er Jahre sattsam bekannte und schon gebannt geglaubte AIDS-Hysterie unverzüglich wieder auf: "Aids-Alarm. Blut-Konserven verseucht", titelte beispielsweise die Bild-Zeitung am 7. Oktober 1993, und fragte: "Wie gefährlich ist jetzt eine Operation?" In AIDS-Beratungsstellen und Blutbanken standen die Telefone nicht mehr still, die Gesundheitsämter verzeichneten einen steilen Anstieg von testwilligen Klienten. Der Seehofer-Alarm erwies sich freilich als Fehlalarm, sobald die Fakten recherchiert und die Aussagekraft der ominösen "AIDS-Liste" geklärt waren.

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