Superwahljahr. Abgehärtete Zeitgenossen bringen das Wort immer noch über die Lippen. Aber nachdem 1994 schon halb vorbei ist, scheint klar: den einzigen Superlativ dieses Wahljahrs verdient das Maß seiner Entpolitisierung. Selten sind dem Wahlvolk Alternativen so konsequent vorenthalten worden. Hat der Souverän nicht wenigstens alle vier Jahre Anspruch auf einen handfesten Wahlkampf? Wenn das Stück heuer ausfällt, ist dies zuvörderst Rudolf Scharpings Verdienst. Die Niedrigstprofil-Strategie des SPD-Hoffnungsträgers entnervt nicht nur Wolfgang Schäuble, der 1994 seine schönsten Provokationen verpuffen sieht (Bundeswehr an die Odergrenze oder so).
Aber bestätigt das nicht die Strategie des Kanzlerimitators von Mainz? Ist nicht, was National-Spieler Schäuble aus der Fasson bringt, mit hoher Wahrscheinlichkeit gut für die Republik? Daß der Kandidat nicht mit "winds of change"-Fanfaren in die Wahl zieht, verdient schon einen Moment des Nachdenkens. (Klischees über die schlappen Sozis im allgemeinen und das einschläfernde Vorstehergehabe des neuen Primus wären genug zur Hand, aber...) Winds of change? Ziemlich viele, Mehrheiten vermutlich, fühlen sich, nicht nur im Osten, fünf Jahre nach dem "Epochenbruch" erst mal hinreichend durchgepustet. Mehr Bruch ist zur Zeit kaum gefragt.