Die Frage der deutsch-deutschen Spionage findet in der Bundesrepublik allenfalls dann Beachtung, wenn Markus Wolf ins Spiel kommt. Gegenüber den weniger Prominenten, die nach dem Ende der DDR enttarnt und verurteilt wurden, wird die Gleichgültigkeit wohl noch zugenommen haben, seitdem das Bundesverfassungsgericht am 15. Mai 1995 den Anschein erweckt hat, es habe die Angelegenheit abschließend geregelt.
Fünf-Klassen-Strafrecht
Karlsruhe hat befunden, daß Bürgerinnen und Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, die vom Boden dieses Staates aus Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland betrieben haben, straffrei ausgehen. Sobald sie diese Arbeit in der BRD selbst verrichteten, können sie solche Schonung nicht in Anspruch nehmen, doch wird bei der Abwägung des Einzelfalls die Suche nach entlastenden Momenten empfohlen. BRD-Bürger allerdings, die für die DDR spioniert haben - das ist die dritte Gruppe -, seien voll zu belangen. Sie werden in künftigen Verfahren allenfalls darauf hoffen können, daß der günstige Ausgang für die Beschuldigten erster Klasse und die relative Nachsicht für die zweite Kategorie auch auf ihren Fall indirekte Wirkungen zeitigen möge. Diese - schon nicht mehr rechtliche, allenfalls atmosphärische Chance hat eine vierte Gruppe nicht.