Ausgabe Dezember 1996

Prag und die deutsche Dankesschuld

Wer das seit Monaten andauernde hiesige Gerangel um den deutschtschechischen Nachbarschaftsvertrag verfolgt, könnte den Eindruck gewinnen, als würde das Verhältnis zwischen beiden Ländern allein von den Ansprüchen sudetendeutscher Vertriebenen-Funktionäre und ihren Förderern aus der CSU bestimmt.

Doch ist die Politik - wenn man dies Gezerre noch so bezeichnen kann - zum Glück nicht die einzige Bühne, auf der sich das Leben der Völker abspielt. Die millionenfachen freundschaftlichen Begegnungen zwischen Deutschen und Tschechen, die seit Öffnung der Grenzen Jahr für Jahr auf Prager Straßen und Plätzen stattfinden, sprechen eine andere Sprache. Auf Schritt und Tritt werden die deutschen Besucher der goldenen Stadt mit den Traditionen einer Epoche konfrontiert, in der Deutsche und Tschechen eher miteinander als nebeneinander oder gar gegeneinander gelebt haben. Eine Epoche, in der sich jene fruchtbare Symbiose einer tschechisch-deutsch-jüdischen Kultur herausbildete, die viele Schriftsteller beider Nationalitäten als die "dreifache Seele" der Stadt bezeichneten und die unvergeßliche Werke europäischer Kultur geschaffen hat.

Dezember 1996

Sie haben etwa 10% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 90% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema