Die Dezemberstreiks oder Die Wiederentdeckung des französischen Volkes. Blätter-Gespräch
"Im Oktober 1994, die Aussicht auf eine Demütigung durch den damals in Hochform befindlichen Edouard Balladur vor Augen, stieß Jacques Chirac auf eine 'note' der Fondation Saint-Simon. Diese Stiftung, in der sich die Cr?me der proeuropäischen Intellektuellen sammelt, ist so etwas wie die Inkarnation der 'pensée unique' [des während der Dezemberstreiks in Frankreich viel kritisierten 'eindimensionalen Denkens']. Als Verfasser der 'Über die Ursprünge der politischen Malaise' betitelten Ausarbeitung, die da in Chiracs Hände geraten war, zeichnet Emmanuel Todd. Der Analyse dieses Mitarbeiters des Institut national d'études demographiques zufolge sind die Europawahlen als Vorbote einer großen Umwälzung zu deuten. Der Befund: Die politischen Konfliktlinien decken sich nicht mehr mit den sozialen. Lauwarme und europhile Sozialisten sind für die Unterschichten nicht mehr wählbar. Diese Stimmen können daher vom Anti-Maustricht-Flügel der Gaullisten erobert werden. Todd schließt: 'Man kann sehr wohl die Hypothese ins Auge fassen, daß ein Jacques Chirac durch die Macht der Umstände zum Mann der Linken wird.' Punktum. Heute spricht Todd von einer Prise englischem Humor..." Mit diesen Worten stellte die Pariser Tageszeitung "Libération" am 27.