Ausgabe März 1996

Französische Zustände

Die Zukunft auf der Spur der Vergangenheit

Deutschland sei ein postindustrieller Ständestaat. Wenn dort Regierung und Verbände etwas aushandelten, sei- anders als in der egalitär-individualistischen Republique fran?aise - mit der Befolgung des Beschlossenen zu rechnen. So Emmanuel Todd im "Blätter"-Gespräch (2/1996, S. 169). Das von einer trilateralen "Kanzlerrunde" aus Regierungs-, Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern am 23. Januar beschlossene "Bündnis für Arbeit und zur Standortsicherung" scheint Todds These auf den ersten Blick zu bestätigen. Der Bonner Schulterschluß zur weiteren Stärkung der nicht nur für Frankreich ohnehin beunruhigend starken - Position Deutschlands ("Bündnis für ...") kontrastiert scharf mit der "révolte sociale" gegen die Pariser Eliten. Und doch hat der Bundeskanzler Sorge vor einer "Ansteckung" der Deutschen signalisiert. Sein Drängen auf den korporatistischen Konsens begründete Kohl wiederholt ausdrücklich damit, es dürfe in Deutschland nicht zu "französischen Zuständen" kommen... Französische Zustände? War da was? Allseitige Verdrängung beherrscht längst wieder das Feld, durchaus auch in Frankreich. Aber einige Wochen lang war, im heißen Dezember 1995, dort "der Deckel ab". Es lohnt, mit dem Abstand einiger Wochen genauer hinzuschauen und den Vorgang zu protokollieren.

März 1996

Sie haben etwa 9% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 91% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Flucht vor der Verantwortung: Lieferkettengesetze am Ende?

von Merle Groneweg

Der 11. September erinnert nicht nur an den Einsturz des World Trade Centers in New York, sondern auch an eine der schwersten Katastrophen in der Textilindustrie: den Brand in der Fabrik Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan.

Ohne EU-Mindestlohn kein soziales Europa

von Roland Erne

Nach Jahren antisozialer Politik infolge der Finanzkrise von 2008 standen soziale Fragen in der vergangenen Legislatur der EU wieder weiter oben auf der Agenda. Zwischen 2022 und 2024 verabschiedeten das EU-Parlament und der Rat seit langem wieder mehrere soziale EU-Gesetze, darunter die Richtlinie über „angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“.

Drei Millionen ohne Abschluss: Was tun?

von Maike Rademaker

Die Zahl war lediglich einen Tag lang einige Schlagzeilen wert: Rund 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hierzulande haben keinen Berufsabschluss. Maike Rademaker analysiert Gründe und Lösungsansätze.