Ausgabe Mai 1996

Gleichnis vom Outcast

Martin Scorseses Karriere als Filmemacher war über zwanzig Jahre lang durch eine bemerkenswert konsistente Reihe leidenschaftlicher, engagierter und realistischer Filme gekennzeichnet. Er wurde geboren und wuchs auf in New York, und diese Stadt ist auch der Schauplatz und das Thema seiner wichtigsten Filme. Seine Heimat, das italienische Viertel von Manhattan, führte er immer wieder als den sozialen Boden vor, auf dem Gangstertum und Gewalt wie natürlich wachsen. Seine Weltsicht war vom Katholizismus ebenso geprägt wie von humanem Gerechtigkeitssinn sowie einer naturalistischen Milieutheorie, die ihn immer wieder dazu veranlaßte, die Täter als Opfer und in der Gewalt den Ausbruch sozialer Verwerfungen zu sehen.

Zum Inbegriff dieser Indizien-Charaktere wurden die Figuren, die der auch aus Little Italy stammende Schauspieler Robert de Niro verkörperte. Je mehr er als Johnny Boy in Mean Streets (1973) in die Geheimnisse der Unterwelt eindringt, um so weniger gelingt es ihm, in ihr zu überleben. In dem Maß, wie er als Travis Bickle, der Taxi Driver (1976), glaubt, gegen die Kälte und Herzlosigkeit seiner Umwelt angehen zu müssen und zu können, verwandelt er sich in einen Skinhead, der schließlich Amok läuft und die dollargeile Stadt blutrünstig aufmischt.

Mai 1996

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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