Perspektiven der NATO-Osterweiterung
Der Madrider NATO-Gipfel, bei dem Polen, Tschechien und Ungarn zur Mitgliedschaft eingeladen wurden, hat einen Überlebenskampf, den die Allianz seit der Auflösung des Warschauer Paktes von 1991 führen mußte, vorerst erfolgreich abgeschlossen. Im Zentrum der Überlebensstrategie der Allianz stand dabei die Osterweiterung. Um sie ranken sich zahlreiche politische Mythen. Wer den aktuellen politischen Prozeß begreifen und im weiteren Verlauf konstruktiv auf ihn einwirken will, muß sich zunächst mit diesen Mythen auseinandersetzen.
Der "Öffnungs"-Mythos
Von sich selbst malt die NATO gerne das Bild eines Klubs demokratischer Staaten, der höflich die Tür aufmacht, wenn jemand anklopft, sofern dieser nur einige Voraussetzungen erfüllt: Demokratie, Achtung von Menschen- und Minderheitsrechten und friedliches Zusammenleben mit den Nachbarn. Dieses idyllische Klub-Bild hat mit der Realität nur sehr wenig zu tun. Am Ausgangspunkt der Erweiterungsgeschichte stand nämlich eher ein Angebots- als ein Nachfrageproblem. Die Vereinigten Staaten haben das Interesse, über die NATO weiter politischen Einfluß in Europa zu behalten und mit der NATO über einen militärischen Brückenkopf zu verfügen, um ihre geostrategischen Interessen im Nahen Osten und auf der Südhalbkugel der Erde vertreten zu können.