Ein kommunitaristischer Versuch, den Wohlfahrtsstaat neu zu definieren
Mitte Januar hat die Bundesregierung neue Vorschläge zur Absenkung des Rentenniveaus unterbreitet. Kranken und leistungsgeminderten Arbeitnehmern soll mit dem Hinweis darauf, daß sie ja noch etwas dazu verdienen könnten, die Rente auf die Hälfte gekürzt werden. Die Bonner Rotstiftspezialisten könnten sich dabei auf Amitai Etzioni berufen. Der Sozialphilosoph ist der Meinung, daß es die Würde der Bedürftigen fördert, wenn sie selbst etwas zu ihrem Wohl beitragen und die Gemeinschaft entlasten. Auch Bill Clinton hat sich, als er im vergangenen Jahr die Sozialhilfe drastisch reduzierte und damit die Tradition des New Deal beendete, auf diesen Vordenker der Kommunitaristen, der den US-Präsidenten beraten hatte, gestützt. Kein Wunder, daß die Gedanken Etzionis hierzulande vor allem in konservativen Kreisen freudig aufgenommen werden. Erstaunlich dagegen mag erscheinen, daß sich unlängst in der Gemeinsinn-Debatte unter anderem Rudolf Scharping engagiert hat - seines Zeichens Fraktionsvorsitzender einer Partei, die im Rufe steht, mit ihrer kompletten sozialstaatlichen Tradition per se gegen die kommunitaristischen Ansätze zur "Umverteilung der Verantwortung" zu stehen.