Ausgabe März 1997

Fenster zur Welt

Man sagt, daß männliche Jugendliche in ihrer Entwicklung eine Phase durchmachen, in der bestimmte Berufsbilder eine große Rolle spielen, Lokomotivführer, Pilot oder Kapitän. Diese Wünsche werden derzeit im Fernsehen bis zu einem gewissen Grad erfüllt. Wer nachts nicht schlafen kann, hat die Möglichkeit, sich an den Fahrerplatz einer IC-Lok versetzen zu lassen, um etwas zu erleben, was Reisenden sonst verwehrt bleibt: Der Blick auf die Gleise nach vorn, das aufregende Abenteuer des Gleitens durch Landschaft und Vorstädte, und zwar nicht in der parallelen Kamerafahrt wie bei der Sicht aus dem Abteilfenster, sondern das Erlebnis, im virtuellen Zoom, des auf einen direkt zukommenden, von Blick quasi aufgesaugten Raums.

Es sind solche Bilder nicht nur die medial fingierte Erfüllung eines Kindertraums, sondern ein ganz neues Programmsegment, das neuerdings nachts immer öder, zur Überbrückung des Lochs zwischen Abend- und Morgenprogramm im Fernsehen zu sehen ist und beim ZDF unter dem offenbar ironischen Titel STRASSENFEGER läuft. Hatten die ersten dieser Ausflüge in den ereignislosen Alltag noch eine touristische Konnotation - Die schönsten Bahnstrecken Deutschlands -, so traten an die Stelle der Lokomotive bald andere Verkehrsmittel: die Straßenbahn, das Auto.

März 1997

Sie haben etwa 31% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 69% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Immer jünger, immer rechter: Teenager mit Baseballschlägern

von David Begrich

Ihre Haare sind kurz, gescheitelt und streng gekämmt. Sie zeigen den White Power- oder gar den Hitlergruß. Ist der Aufschwung der rechtsextremen Jugendszene wirklich etwas Neues – oder nur eine Fortsetzung neonazistischer Gewalt?

Maskulin und libertär

von Stefan Matern, Sascha Ruppert-Karakas

Echte Männer sind rechts“ – das auf Social Media viral gegangene Video des AfD-Politikers Maximilian Krah ist mehr als nur ein lapidares Bekenntnis zu traditionellen Familien- und Geschlechterrollen. Es ist vielmehr der strategische Versuch, junge Menschen niedrigschwellig an AfD-Positionen heranzuführen. Im provokanten Politainmentstil bespielt die Partei auf den digitalen Plattformen unpolitisch anmutende Themen rund um die Probleme und persönlichen Unsicherheiten junger Männer.