Seitdem Helmut Kohl dem gefaßten Volke seine Absicht unterbreitet hat, auch über 1998 hinaus als Regierungschef im Amt zu bleiben, scheint die SPD in der Frage ihres Kanzlerkandidaten unter Druck zu stehen. Es läuft offenbar auf einen Zweikampf heraus: zwischen den Medien, die nach einer schnellen Nominierung, insbesondere von Gerhard Schröder verlangen, und der Partei, die sich erst im April nächsten Jahres entscheiden will. Man kennt das ja. Rufe 60 Abgeordnete an. Einer wird sich schon äußern wollen. Die anderen 59 fallen unter den Tisch. Für die Schlagzeile reicht's. Zeitschriften wie der "Stern" kommen gleich ganz ohne Quellen aus. Sie führen sich selbst ins Feld. "Treten Sie an, Herr Schröder" titelte die Illustrierte, ohne einen Hehl daraus zu machen, daß sie selbst diesen Kandidaten küren will. Wochenlang hatte das Blatt vom halbherzigen Sprüchlein des Kanzlerschaftsanspruchskandidaten a.D. Wolfgang Schäuble gezehrt, er traue sich die Übernahme der Regierungsgeschäfte zu. Und dann? Kohl tritt wieder an. Na gut, sagen sich die Hamburger Blattmacher, dann präsentieren wir eben den Kanzlerkandidaten der SPD.
Doch aus welchem Grund sollten sich die Sozialdemokraten jetzt entscheiden? Für eine vorzeitige Festlegung könnte allein die Prophezeiung sprechen, daß die Partei dem medialen Druck ohnehin nicht lange standhalten wird.