Zuerst sah es nach medialen Turbulenzen aus. Nachdem die Sensationspresse das Objekt ihrer (und ihrer Kunden) Begierde einmal nicht nur gejagt, sondern versehentlich auch zur Strecke gebracht hatte, wurden in London Pressefotografen von den Endverbrauchern ihrer Bilder verprügelt. Zum Glück gab es bald Entlastung. Die ersten Berichte glichen Tableaus, in denen jeder auf einen anderen zeigt und "Der war's!" ruft. Der Bruder zeigt auf die Presse, die Presse auf die "Paparazzi" (das Wort kennen wir jetzt alle), die seriöse Presse auf die Sensationsblätter, die wiederum unverzagt die seriösen als gute Abnehmer solcher Fotos outet. Bis dann einer das erlösende: "Wir sind alle schuld" zu Papier bringt. Die britischen "tabloids" wissen, worauf Verlaß ist. Auf die Unfähigkeit der Royals zu erfolgreicher massendemokratischer Selbstpräsentation allemal. Die hatte auch zuvor den Stoff für das Lady-Di-Spektakel geliefert. Hinter der Schlagzeile "Warum schweigt die Queen?" lauert der Verdacht, die Royals hätten das Ende der Skandale womöglich mit klammheimlicher Freude quittiert. Das bewiese einmal mehr massendemokratische Naivität. Durch eine lebende Skandalnudel kann die Monarchie nur gewinnen, aber gegen den Mythos einer toten kommt sie nicht an.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.