Ausgabe Dezember 1998

Arbeit am Neuen Menschen

Den Kuß noch auf den Lippen eilt die junge Frau an den Schalter, von den Lippen wird ein Abstrich genommen, und kurz darauf erhält sie einen Stapel Papier mit schier endlosen Buchstaben- und Zahlenkolonnen, die Aufschluß über die Erbanlagen des Küssenden geben. Die genetische Analyse und nicht Amors Pfeil entscheidet nüchtern über Partnerschaft und Fortpflanzung. Rechtzeitig zum zehnjährigen Bestehen des Human Genome Project (HGP) eröffnete im Sommer diesen Jahres der Film "GATTACA" den Blick auf eine kühle (Anti-)Vision in einer vielleicht nicht mehr ganz so fernen Zukunft.

Im Zuge der gegenwärtigen Begeisterung für die Bio- und Gentechnologie als "arbeitsplatzschaffende Schlüssel- und Querschnittstechnologie" wird auch von großen Teilen der Politik die Gentherapie als Hoffnungsträgerin einer neuen Medizin präsentiert und es verblüfft kaum, daß die Forschung daran kräftig gefördert und propagiert wird. Geschickt wird dabei der Umstand ausgenutzt, daß die Bevölkerung ein ambivalentes Verhältnis zur Gen- und Biotechnologie hat. Während beispielsweise die "grüne" Gentechnik in der Landwirtschaft deutlich skeptisch und ablehnend beurteilt wird, erhält die "rote" Gentechnik in der Medizin durchaus gute Noten.

Dezember 1998

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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