Mit den Bundestagswahlen 1998 ist in Deutschland zum ersten Mal die Linke in freien Wahlen an die Macht gekommen. Anders als zu Zeiten der sozialliberalen Koalition, anders auch als in den ersten Regierungen der Weimarer Republik regiert die Linke diesmal ohne bürgerliche Koalitionspartner - zumindest was ihr politisches Selbstverständnis, nicht was ihre objektive soziale Zusammensetzung betrifft. Mit den Koalitionsverhandlungen ist zunächst und vielleicht nur für kurze Zeit jener Bruch geheilt worden, der sich in den siebziger Jahren zwischen SPD, Neuer Linker und Neuen Sozialen Bewegungen aufgetan hat. Auch an dieser Regierungsbildung bewährt sich die soziologische Erkenntnis von der integrierenden Kraft des sozialen Konflikts. Bündnis 90/Die Grünen sind so sehr das auch ihrem subjektiven Befinden widersprechen mag mit diesem Koalitionsvertrag als ökologische, pazifistische und feministische Partei gestorben, um als linksliberale Funktionspartei nach dem Muster der niederländischen D66, die ebenfalls der Neuen Linken entsprang, wiederaufzuerstehen. Die Niederlagen bei der Ökosteuer und dem Atomausstieg beweisen dies ebenso eindrücklich, wie das Hinnehmen von Garzweiler II in Nordrhein-Westfalen diesen Prozeß besiegelt hat.
In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn.