Ausgabe Juli 1998

Weder Indien noch Pakistan können den Status eines Kernwaffenstaates haben

Resolution 1172 des UN-Sicherheitsrates vom 6. Juni 1998 (Wortlaut)

Die 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrats reagierten auf die Atomtests in Südasien mit der einstimmiger Verurteilung Indiens und Pakistans und drängten sie, alle Atomprogramme zu stoppen und den Frieden in der Region zu erhalten. Auf wirtschaftliche oder politische Sanktionen einigte man sich dagegen nicht. (Vgl. auch die Beiträge von Harald Müller, Oliver Meier und William Pfaff in dieser Ausgabe sowie die Dokumente zum Atomteststoppvertrag in der "Blätter"-Ausgabe 10/1996). Im folgenden veröffentlichen wir die UN-Resolution 1172 in der Übersetzung des Deutschen Übersetzungsdienstes der Vereinten Nationen - D. Red.

Der Sicherheitsrat, #in Bekräftigung der Erklärungen seines Präsidenten vom 14. Mai 1998 (S/PRST/1998/-12) und 29. Mai 1998 (S/PRST/1998/17), sowie in Bekräftigung der Erklärung seines Präsidenten vom 31. Januar 1992 (S/2350-0), in der es unter anderem heißt, daß die Verbreitung aller Massenvernichtungswaffen eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt, ernsthaft besorgt über die Herausforderung, welche die von Indien und anschließend von Pakistan durchgeführten Nuklearversuche für die internationalen Bemühungen zur Stärkung des globalen Nichtverbreitungsregimes für Kernwaffen darstellen, sowie außerdem ernsthaft besorgt über die Gefahr für den Frieden und die Stabilität in der Region, tief besorgt über die Gefahr eines nuklearen Wettrüstens in Südasien und entschlossen, ein solches Wettrüsten zu verhindern, in Bekräftigung der entscheidenden Bedeutung, die dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen und dem Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen für die weltweiten Bemühungen um die Nichtverbreitung von Kernwaffen und die nukleare Abrüstung zukommt, unter Hinweis auf die Grundsätze und Ziele der Nichtverbreitung von Kernwaffen und der Abrüstung, welche die Konferenz von 1995 der Vertragsparteien zur Überprüfung und Verlängerung des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen verabschiedet hat, sowie auf den Erfolg dieser Konferenz, bestätigend, daß es auch künftig gilt, entschlossen vorzugehen, um alle Bestimmungen des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen voll zu verwirklichen und wirksam umzusetzen, und mit Genugtuung über die Entschlossenheit der fünf Kernwaffenstaaten, ihre Selbstverpflichtungen im Zusammenhang mit der nuklearen Abrüstung nach Artikel VI dieses Vertrages zu erfüllen, eingedenk seiner nach der Charta der Vereinten Nationen bestehenden Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit,

1. verurteilt die von Indien am 11. und 13. Mai 1998 und von Pakistan am 28. und 30. Mai 1998 durchgeführten Nuklearversuche;

2. macht sich das Gemeinsame Kommuniqué zu eigen, das die Außenminister Chinas, Frankreichs, der Russischen Föderation, des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland sowie der Vereinigten Staaten von Amerika auf ihrem Treffen am 4. Juni 1998 in Genf herausgegeben haben (S/1998/473);

3. verlangt, daß Indien und Pakistan weitere Nuklearversuche unterlassen, und fordert in diesem Zusammenhang alle Staaten auf, im Einklang mit den Bestimmungen des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen keine Versuchsexplosion von Kernwaffen und keine andere nukleare Explosion durchzuführen;

4. fordert Indien und Pakistan nachdrücklich auf, größte Zurückhaltung zu üben und bedrohliche Militärbewegungen, Grenzverletzungen oder andere Provokationen zu vermeiden damit eine Verschärfung der Situation verhindert wird;

5. fordert Indien und Pakistan nachdrücklich auf, den beiderseitigen Dialog über alle offenen Fragen, insbesondere über alle den Frieden und die Sicherheit betreffenden Fragen, wiederaufzunehmen, um die Spannungen zwischen ihnen zu beseitigen, und legt ihnen nahe, für beide Seiten annehmbare Lösungen zu finden, welche die den Spannungen zugrundeliegenden Ursachen angehen, einschließlich Kaschmirs;

6. begrüßt die Anstrengungen, die der Generalsekretär unternimmt, um Indien und Pakistan zur Aufnahme eines Dialogs zu bewegen;

7. fordert Indien und Pakistan auf, ihre Kernwaffenentwicklungsprogramme sofort einzustellen, das Herstellen der Waffentauglichkeit oder die Dislozierung von Kernwaffen zu unterlassen die Entwicklung ballistischer Flugkörper, die als Trägermittel für Kernwaffen einsatzfähig sind sowie jede weitere Herstellung von spaltbarem Material für Kernwaffen einzustellen, ihre Politik zu bestätigen, keine Ausrüstung, kein Material und keine Technologien zu exportieren, die zu Massenvernichtungswaffen oder Flugkörpern, die als Trägermittel für diese geeignet sind, beitragen könnten, sowie geeignete Verpflichtungen in dieser Hinsicht einzugehen;

8. legt allen Staaten nahe, den Export von Ausrüstung, Material oder Technologien zu verhindern, die auf irgendeine Weise Kernwaffenprogramme oder Programme für ballistische Flugkörper, die als Trägermittel für solche Waffen einsatzfähig sind, in Indien oder Pakistan unterstützen könnten, und begrüßt die in dieser Hinsicht beschlossenen und erklärten einzelstaatlichen Politiken;

9. bekundet seine ernsthafte Besorgnis über die nachteiligen Auswirkungen der von Indien und Pakistan durchgeführten Nuklearversuche auf den Frieden und die Stabilität in Südasien und über die Region hinaus;

10. bekräftigt sein uneingeschränktes Eintreten für den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen und den Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen sowie deren entscheidende Bedeutung als Eckpfeiler des internationalen Nichtverbreitungsregimes für Kernwaffen und als wesentliche Grundlage für die Verfolgung der nuklearen Abrüstung;

11. bekundet seine feste Überzeugung, daß das internationale Nichtverbreitungsregime für Kernwaffen beibehalten und gefestigt werden muß, und weist darauf hin, daß gemäß dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen weder Indien noch Pakistan den Status eines Kernwaffenstaates haben können;

12. erkennt an, daß die von Indien und Pakistan durchgeführten Versuche eine ernste Bedrohung der weltweiten Bemühungen um die Nichtverbreitung von Kernwaffen und um die Abrüstung darstellen;

13. fordert Indien und Pakistan sowie alle anderen Staaten, die noch nicht Vertragsparteien sind, nachdrücklich auf, dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen und dem Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen unverzüglich und bedingungslos beizutreten;

14. fordert Indien und Pakistan nachdrücklich auf, sich in einem positiven Geist und auf der Grundlage des vereinbarten Mandats an den Verhandlungen der Abrüstungskonferenz in Genf über den Abschluß eines Vertrages über das Verbot der Herstellung von spaltbarem Material für Kernwaffen oder andere Kernsprengkörper zu beteiligen, mit dem Ziel, zu einer baldigen Einigung zu gelangen;

15. ersucht den Generalsekretär, dem Rat dringend über die Maßnahmen Bericht zu erstatten, die Indien und Pakistan zur Durchführung dieser Resolution ergriffen haben;

16. bekundet seine Bereitschaft, weiter zu prüfen, wie die Durchführung dieser Resolution am besten sichergestellt werden kann;

17. beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befaßt zu bleiben.

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