Die Zukunft von Tarifautonomie und Mitbestimmung im Zeitalter der Internationalisierung
I. Die stillschweigenden Voraussetzungen des kollektiven Arbeitsrechts
Betrachtet man allein den Text der maßgebenden Rechtsnormen, so hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren im kollektiven Arbeitsrecht nichts Wesentliches verändert. Das Betriebsverfassungsgesetz gilt ohne große Modifikationen seit 25 Jahren, das Tarifvertragsgesetz noch länger. Die arbeitskampfrechtlichen Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts weichen nur in einigen Nuancen von dem in den 50er Jahren entwickelten "Gerüst" ab. Dennoch gehen die Uhren derzeit anders. Dies hängt damit zusammen, daß das kollektive Arbeitsrecht auf bestimmten Voraussetzungen aufbaut, die selten ausdrücklich genannt werden, die für sein tatsächliches Funktionieren aber essentiell sind. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit nenne ich sechs. Notwendig ist zum einen, daß sich Arbeitnehmer in der Gewerkschaft oder im Betriebsrat engagieren. Beide Institutionen leben vom Einsatz der Beschäftigten. Es handelt sich nicht um Aktiengesellschaften oder den ADAC, wo man sich einkauft bzw. Beiträge bezahlt und alles übrige dem Management überläßt.
Zum zweiten: Verhandlungen zwischen den Tarifparteien wie zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber setzen voraus, daß die Existenz der jeweiligen Gegenseite nicht in Frage gestellt werden kann.